DIY-Trends 2022: Was tut sich in der Handarbeitsszene? | BRIGITTE.de

2022-10-08 23:48:09 By : Ms. Fiona hu

So viel steht fest: Die DIY-Szene ist wie jede andere Szene ein eigener Kosmos, der sich stetig verändert, Trends aufgreift und weiterentwickelt und gesellschaftspolitische Strömungen widerspiegelt. Wie es 2022 in der Szene aussieht, wollten wir genauer wissen! Wir haben mit Chantal Pisarzowski, Laura Bangrazi und Julia Martin von The Creative Club gesprochen – Europas führendes digitales Unternehmen im DIY-Markt, das die Kreativplattformen stoffe.de und makerist.de betreibt. Wie das Thema Nachhaltigkeit in der Handarbeitsszene umgesetzt wird und wie feministische Themen Ausdruck finden, erfahrt ihr hier!

Liebe Laura, liebe Chantal und liebe Julia, welche Trendentwicklung könnt ihr in der Handarbeitsszene derzeit beobachten? Laura: Eine allgemeine Trendentwicklung sehen wir besonders in Richtung Nachhaltigkeit: Hier setzen wir auf Transparenz bezüglich der Herkunft, der Beschaffung und der Zusammensetzung der Materialien. Das ist ein sehr wichtiger Punkt, der bei unseren Kund:innen und bei unseren Lieferanten immer bedeutender wird: Es zeigt die Wertschätzung gegenüber dem Material und gegenüber den Menschen, die damit arbeiten. Eine weitere Trendentwicklung sehen wir durch die Coronaauswirkungen sowohl in der Modebranche als auch in der Textilbranche: Hier paart sich Komfort mit Abenteuerlust. Der Bereich Komfort hat sich durch das Home Office entwickelt: Jogginghosen werden vermehrt während des Arbeitens getragen und die Wohnung wird so eingerichtet, dass man seinen eigenen Komfort findet bzw. neu erfindet. Man hat also eine gewisse Balance zwischen einem gesetzten Lebensstil und einem aufregenden Lebensstil, den man in der Coronazeit für sich entwickelt hat.

Chantal: Im Bereich Mode sehen wir eine Hinwendung zu minimalistischen, klaren Linien, die den Körper umspielen – also alles, was bequem ist, aber gleichzeitig auch schick aussieht! Lockere Komfortkleidung wird gepimpt mit aufregenden Accessoires. Wir nehmen für 2022 auch wahr, dass unsere DIY-Community mutiger wird, was die Farbwahl und die Materialien angeht. Man probiert sich aus und die Grenzen zwischen dem, was man "darf" und was nicht verschwimmen. Dazu werden Stickereien immer angesagter, vor allem florale Stickmuster. Die DIY-Community hat Lust, den Bezug zur Natur wieder herzustellen: Die Menschen wollen nachhaltiger werden und das auch nach außen sichtbar werden lassen. Außerdem sind Stickereien mit politischen Statements im Kommen: Wie z. B. das Statement "Wash your hands", das gerade sehr aktuell ist. Im Hinblick auf DIY-Trends wird außerdem Töpfern wieder populärer. Auch Perlen werden als Trend hinzukommen, z. B. Perlenschmuck oder Handy-Perlen-Anhänger. Der Makramee-Trend bleibt zudem bestehen: Gerade wenn man jetzt zu Coronazeiten sein Zuhause ein bisschen aufpimpen will, bieten sich Wandbehang, Blumenampeln, aber auch Teppiche aus Makramee an. Mit dem Makramee-Trend geht der Boho und der Rebirth-Look in der Mode einher: Lange wehende Kleider, luftige Blusen mit Stickereien und Tassels sind derzeit beliebt.

Welche Materialien sind in diesem Jahr besonders angesagt?

Laura: In der neuen Saison 2022 sind organische Materialien beliebt, wie zum Beispiel Leinen, Hanf oder Baumwolle. Auch Denim wird im Frühjahr/Sommer ein großer Trend sein. Insbesondere sind unsere GOTS-zertifizierten Stoffe sehr im Fokus. Außerdem ist Jersey topaktuell, der in jeder Saison und jedem Jahr eigentlich der Dauerrenner ist. Dazu sind besondere Materialien im Kommen, z. B. Mesh-Konstruktionen für Festival-Outfits – falls diesen Sommer Festivals wieder stattfinden können. Ansonsten gibt es den Trend zu Spitze oder Lochstickerei – inspiriert aus der letzten Saison und angelehnt an den Trend "romantischer Landstil".

Welche Tendenzen konntet ihr noch in Bezug auf mehr Nachhaltigkeit in der DIY-Szene ausmachen?

Laura: Organische Materialien werden bevorzugt bei uns gesucht und verkauft, wie zum Beispiel Leinen, das sonst nur ein saisonales Material für den Sommer war, jetzt aber das ganze Jahr über angesagt ist. Die Nachfrage nach GOTS-Qualitäten sowohl im Basic- als auch im bedruckten Bereich steigt allgemein. Im Hinblick auf unsere Materialproduzenten sehen wir viel mehr Angebote sowohl in GOTS-Qualität als auch aus organischen und recyclten Materialien. Es werden z. B. Stoffe aus PET-Flaschen oder aus älteren Stoffqualitäten zu neuen Materialien zusammengewoben. Man sieht auf jeden Fall, dass die Tendenz da weiter hingeht und dass sich auch im Angebot viel verändert.

Wie sieht es konkret im Bereich DIY-Anleitungen aus? Ist da der Fokus zu mehr Nachhaltigkeit erkennbar?

Chantal: Wir sehen das auf jeden Fall! Wir hatten durch Corona einen großen Zuwachs, da die Leute überhaupt erst mal Zeit hatten, sich mit DIY zu beschäftigen. Es gibt immer mehr Anleitungen/E-Books für Selbstgemachtes, die Einwegprodukte ersetzen sollen: z. B. selbst genähte Kosmetikpads, Periodenunterwäsche, Stoffbinden oder nachhaltige Schüsselabdeckungen für den Haushalt. Upcycling ist außerdem ein großes Thema: Kleidung wird nicht mehr einfach so weggeschmissen, sondern es wird versucht, sie wieder aufzuwerten, indem z. B. eine Jeansjacke aus einer alten Jeans genäht wird. Besonders "visual Mending" wird vogue werden: Das bedeutet, Kleidung so zu reparieren, dass man es sieht und nach außen trägt, z. B. indem mit einem Kontrastgarn gearbeitet wird.

Julia: Wir sehen auch bei unseren Designer:innen, dass Nachhaltigkeit immer wichtiger wird. Schnittmuster werden so konzipiert, dass möglichst wenig Stoff am Ende weggeworfen werden muss und der Stoffverlust deutlich reduziert ist. Entsprechend muss auch weniger Stoff gekauft werden. Und falls doch etwas übrig bleibt, kann daraus ein passendes Accessoire gemacht werden.

Chantal: Wir haben Anfang letzten Jahres die Makerist AR App auf den Markt gebracht: Mithilfe der App und augmented Reality kann man ein Schnittmuster direkt auf den Stoff übertragen und sofort zuschneiden – es wird kein Papier mehr benötigt, um Schnitte zu übertragen. Insgesamt haben wir bei unseren Kund:innen und Designer:innen gesehen, dass generell der Wille da ist und alle sehr neugierig darauf sind, nachhaltigere Schnitte zu konzipieren und neue Technologien auszuprobieren.

Werden auch andere politische und feministische Themen in der Handarbeitsszene aufgenommen und falls ja, in welchen Bereichen?

Julia: In unsere Beobachtungen nehmen wir immer auch gesellschaftspolitische Themen mit rein und sehen, dass sich Mode, DIY und soziale Bewegungen gegenseitig beeinflussen. Bei den Stickereien sind auf jeden Fall auch feministische Statements dabei. Wir sehen auch, dass Periodenunterwäsche oder wiederverwendbare Slipeinlagen immer häufiger selber genäht werden. So kommen feministische Themen, wie zum Beispiel die Periode, ins DIY. Dadurch wird mit dem Tabu "Periode" gebrochen und feministische Themen und Nachhaltigkeit kombiniert.

Chantal: Der feministische Ansatz geht auch mit der Schnittführung einher, z. B. in Form von genderneutraler Kleidung und indem die Grenzen zwischen den Geschlechtern – was darf welches Geschlecht anziehen oder sich nähen – fluid sind. Der Trend geht zudem in Richtung Oversize und androgyn, da gibt es keine Regeln mehr. Gleichzeitig zeigt man auch Haut, zieht sich unabhängig von der Kleidergröße körperbetont an und arbeitet mit transparenten Materialien. Die Body-Positivity-Bewegung spiegelt sich auch in der Handarbeitsszene wider. Hier wird die Bewegung schnell deutlich, da die DIY-Community ja aus der Situation heraus und für ihre aktuellen Bedürfnisse näht, im Gegensatz zu großen Konzernen, die Kollektionen längerfristig vorbereiten.

Worauf können DIY-Begeisterte dieses Jahr noch gespannt sein?

Chantal: Vor allem auf das Sticken, was zu einem großen Thema werden wird! Dazu kann man sich noch auf alles freuen, was in die Richtung Boho-Stil und Bezug zur Natur geht.

Laura: Im Bereich Prints können sich DIY-Begeisterte auf florale und vegetative Motive sowie Animalprints freuen. Im Bereich Design haben wir Minimalismus gepaart mit Extravaganz, z. B. in Form von Struktur in der Oberfläche oder minimalistischen grafischen Elementen. Bei den Farben können wir für die neue Saison eine Trendfarbe ganz besonders in den Fokus stellen: Orchidee, das etwas in den Lila-Violett-Bereich geht und mit wenig Magenta trotzdem kräftig erscheint. Dazu haben wir Kombinationstrendfarben wie ein Olive, Ozeanblau, Honigorange und Sand.

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